Die Loveparade in Düsseldorf, Unglücke in Mekka, 9/11 und als neuestes Beispiel das Lag-Baomerfest am Meron-Berg in Israel. In den Medien wird schnell von einer Massenpanik gesprochen, wenn viele Menschen aufeinandertreffen, es Engstellen oder Hindernisse gibt und die Notwendigkeit Atem- und Bewegungsfreiheit (zurück) zu erlangen oder Personen eine starke Angst verspüren und versuchen aus einer Situation zu fliehen. All dies steht zumeist in Kombination mit Verletzten oder gar Toten.
In Meron wurde schnell nach Einritt des Ereignisses von einer Massenpanik gesprochen. Bei dem Fest an der Wallfahrtsstätte des Berges Meron sind 45 Personen ums Leben gekommen und etliche wurden verletzt. Es handelt sich um die größte zivile Katastrophe in der Geschichte Israels. Auslöser war nach ersten Erkenntnissen die Situation an einer abschüssigen Rampe, an welcher Personen ins Rutschen gekommen sind. Aufgrund der Dichte entstand eine Art Dominoeffekt und Menschen fielen übereinander. Augenzeugen berichten von einer „Menschenlawine“. Medien berichten von einer ausbrechenden Panik, von Menschen, die keine Fluchtmöglichkeit hatten, da sich wohl unter anderem Notfalltüren nicht öffnen ließen. Durch den Druck der Menschenmassen wurden Personen erdrückt, fielen und wurden von über ihnen laufenden Menschen getötet. Kinder wurden in den Menschenmassen von ihren Eltern getrennt, das Mobilfunknetz war überlastet, da viele versuchten ihre Angehörigen zu erreichen. Schon im Vorfeld waren tausende Einsatzkräfte vor Ort, um das Fest abzusichern, und es wurde ein mobiles Krankenhaus in der Nähe errichtet.

Doch was ist eine Massenpanik überhaupt? Welche Umstände begünstigen sie und kann verhindert werden, dass eine Massenpanik ausbricht?

In der Wissenschaft existieren verschiedene Definitionsversuche für eine Massenpanik, eine einheitliche Definition existiert derzeit jedoch nicht. In den wichtigsten Punkten sind sich die Wissenschaftler:innen aber einig. Eine Massenpanik wird als ein Zustand einer intensiven Angst beschrieben, die bei vielen Personen besteht und sich durch eine Panikansteckung weiter verbreitet. Es handelt sich um ein irrational ausgelöstes, katastrophierendes und vor allem kopfloses Flüchten mit rücksichtslosem Verhalten. Ist das Ereignis real, so findet zumeist vorher eine Massenflucht statt. Diese Massenflucht kann durch Faktoren wie intensive Reize, eine im Vorfeld bestehende Panikstimmung oder einer Zeitkritikalität das eine Flucht sofort notwendig ist, in eine Massenpanik umschlagen. Ein MANV, also ein Massenanfall an Verletzten, ist auch bei einer Massenflucht möglich, ohne, dass eine Massenpanik aufgetreten ist.

Was ist der Unterschied zwischen einer Massenflucht und einer Massenpanik?

Der Hauptunterschied besteht in dem Verhalten der Personen und in dem Ereignis an sich.
Ausgehend ist eine Massenpanik von einem realen Ereignis, die Ansteckung findet allerdings auch auf Personen statt, die keine persönliche Konfrontation mit dem Furchtauslöser hatten. Was genau das Ereignis sein kann, ist nicht definiert. Beispiele können eine einstürzende Tribüne sein, wie die anfängliche Annahme in Meron war. Aber auch ein Brand, eine Explosion oder (vermeintliche) Schüsse können der Auslöser für gewaltige, reflexartige Handlungen sein, die die ganze Persönlichkeit erschüttern und auch zu einer Panikstarre führen können. Die Konsequenz: der Mensch ist lediglich zu Primitivreaktionen in der Lage, die in der Reflexschicht liegen. Ein rationales oder auch soziales Verhalten ist genauso wenig möglich, wie die Aufnahme von weiteren Informationen. Verhaltensmuster pflanzen sich in der Gruppe fort und eine rücksichtslose, teils aggressive und egoistische Fluchtreaktion folgt. Dieses Verhalten ist oftmals verbunden mit einer hohen emotionalen Verbundenheit zu dem Event.
Die Massenflucht dagegen ist ein rationales Verhalten einer Menschenmasse. Aufgrund eines realen Ereignisses oder einer realen Bedrohungswahrnehmung möchten die Menschen möglichst schnell aus der Enge und / oder dem Gefahrenbereich fliehen. Es wird ganz bewusst diese Entscheidung getroffen, sich von der Gefahrenquelle zu entfernen. Dabei sind die Menschen fähig, weitere Informationen aufzunehmen und die Situation wiederholt zu bewerten. Es kann also auf Krisenkommunikation und Verhaltenshinweise reagiert werden und Anweisungen dringen zu den Personen vor und können demnach auch befolgt werden. Aus einer Gefahrensituation zu fliehen ist ein sehr rationales Verhalten. Und auch ein Ausfahren von Ellenbogen, um sich selbst Platz zum Atmen in einer beengenden Situation zu verschaffen, ist eine rationale Handlung. Hierbei tritt eher selten ein egoistisches und antisoziales Verhalten auf. Es kann beobachtet werden, dass bei einer Massenflucht die eigene Chance zu fliehen teilweise vermindert wird, um anderen Personen zu helfen. Bei der Untersuchung der Ereignisse von 9/11 haben Forschende festgestellt, dass es dort eben nicht zu einer Massenpanik, sondern zu einer Massenflucht aus den World Trade Centern kam. Das Verhalten der Personen war hauptsächlich rational. Es wurde Kollegen geholfen sich in Sicherheit zu bringen, die es allein nicht vermocht hätten. Auch die Flucht über die Brooklyn Bridge aus Manhattan hatte keine Merkmale einer Massenpanik, hier wurde von Medien vereinzelt auch von einer Massenflucht gesprochen.

Warum wird häufiger der Begriff der Massenpanik als der neutrale Begriff Massenflucht verwendet?

Einer der Gründe liegt in der Unklarheit darum, wie die Begriffe zu differenzieren sind. In einigen Medien werden sie als Synonyme zueinander verstanden und dementsprechend auch so verwendet. Auch das eine Massenflucht in eine Massenpanik umschlagen kann, wenn Rahmenbedingungen wie Panikbereitschaft oder eine hohe emotionale Aufladung vorhanden sind, sorgt dafür, dass die Differenzierung schwerer fällt. Wenn Menschen angsterfüllt fliehen und es zu Verletzten oder gar Toten kommt, gehen daher viele davon aus, dass es sich um eine Massenpanik handelt. Doch auch bei einer Massenflucht kann es zu einem MANV kommen. Das Schadensausmaß hat auf die Begriffsdefinition keinen Einfluss, lediglich die Verhaltensweise der Menschen untereinander bestimmt den korrekten Term. Liegt ein unsoziales Verhalten vor, so ist natürlich auch von mehr Verletzten auszugehen, als wenn die Personen einander helfen und auf die Umgebung achten. Ein weiterer Grund liegt in der Art des Medienberichts. Besonders in Boulevardzeitschiften, die auf eine verkaufsbringende Story aus sind, finden Begriffe Verwendung, die sensationsorientiert sind. Eine rationale Handlung wird keinen Verkaufsschlager mit sich bringen. Des Weiteren haftet an dem Begriff der Massenflucht ein politischer Klang. So wird eher die Flucht aus Kriegs- oder Krisengebieten mit diesem Begriff betitelt und wegen der schnellen Flucht in kurzer Zeit die Flucht aus einem Stadion oder einem Gebäude mit dem Begriff der Panik versehen. Auch wenn die Kriterien einer Panik nicht erfüllt sind.

Wie kann eine Massenpanik verhindert werden?

Damit im Falle eines Ereignisses keine Panik auftritt sollte verhindert werden, dass Personen in eine einengende Situation gebracht werden. Dies kann durch bauliche Maßnahmen wie zum Beispiel Baumreihen oder den Verzicht auf Nadelöhre erreicht werden. Auch organisatorisch können durch strategisches Platzieren von z. B. Einlasskontrollen Nadelöhre verhindert werden. Durch Leitsysteme kann Personen verdeutlicht werden, wie sie am schnellsten aus dem Gebäude / der Anlage gelangen, damit gewährleistet wird, dass im Fall von großen Menschenmassen alle Notausgänge gesehen werden und somit gleich ausgelastet sind. Über Lautsprecheranlagen kann rechtzeitig mit den Menschen kommuniziert werden. Fehlende Informationen können dazu führen, dass falsche Schlüsse gezogen werden oder durch kurze Sichtweiten und einen Tunnelblick alternative Fluchtwege nicht wahrgenommen werden, was zu einer weiteren Verdichtung führt. Es hat sich bewährt bei größeren Ereignissen Evakuierungs- oder Brandschutzhelfer innerhalb der Bereiche, in denen sich viele Menschen aufhalten zu platzieren. Diese können bei einer anfangenden Massenflucht die Massen besser lenken und besonders durch ihre Präsenz beruhigen. Auch weitere organisatorische Maßnahmen können getroffen werden. Durch Sensibilisierungen und Schulungen kann eine Handlungssicherheit sichergestellt werden für das eigene Verhalten in Ereignisfällen. Besonders bekannt und häufig bereits etabliert sind hierbei Brandschutzübungen und Evakuierungsübungen. Nach demselben Konzept kann dies für andere Vorfälle etabliert werden, sodass die Mitarbeitenden den kürzesten Weg ins Freie kennen und wissen, worauf sie zu achten haben.
Dadurch wird eine Bildung von Nadelöhren oder ein Übersehen von Notausgängen, da auf die üblichen Wege zurückgegriffen wird, verhindert werden.

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