Als Krisenstab wird eine Gruppe entscheidungswürdiger und -befugter Personen bezeichnet, welche in einer Krise die Bewältigung dieser plant und die Umsetzung vorgibt. Andere Bezeichnungen sind ein Stab für außergewöhnliche Ereignisse oder eine Task Force. Egal wie eine solche Gruppe benannt wird, sie muss eine Entscheidungsfähigkeit besitzen und die Bewältigung der Krise verantworten.
Die Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 (FwDV 100 oder DV 100) beschreibt den Krisenstab, wie er in der Gefahrenabwehr (Feuerwehr, Rettungsdienst, Katastrophenschutz/ Bevölkerungsschutz) angewendet wird. Hier wird dieser als Führungsstab bezeichnet. Für weitere Informationen zur Unterscheidung des Krisenstabs vom Führungsstab können Sie unseren Blog-Artikel zum Thema „Führen – Unterschiede von BCM und behördlichem Krisenmanagement“ lesen.
Die FwDV 100 wurde nach dem Brand der Lüneburger Heide erstellt, da bei diesem die Führung vor großen Herausforderungen stand. Teilweise kam es zu einer Gefährdung von Einsatzkräften, Löschwasser fehlte und im Einsatz waren Feuerwehren und Hilfsorganisationen aus unterschiedlichen Bundesländern mit unterschiedlichen Führungssystemen aktiv. Die FwDV 100 vereinheitlicht daher die Führung in der Gefahrenabwehr auch über Kreis- und Bundesländergrenzen hinweg nach dem Vorbild der militärischen Heeres-Dienstvorschrift.

Seit der Erstellung und der Veröffentlichung der FwDV 100 im Jahr 1999 ist diese nicht überarbeitet worden und wird in ihrer aktuellen Fassung von den Feuerwehren, dem Rettungsdienst und dem Katastrophenschutz/ Bevölkerungsschutz angewendet. Teilweise haben die Hilfsorganisationen und einzelne Bundesländer eigene Anpassungen und somit eigene Versionen der DV 100 erstellt, diese beinhaltet jedoch alle die Kerninhalte der FwDV 100.

Der Führungsstab der FwDV 100 ist wie folgt aufgebaut:

Die Leiterin bzw. der Leiter übernimmt die Gesamtverantwortung über die Arbeit im Stab und moderiert die Stabsbesprechungen. Diese Funktion koordiniert den Stab sowie übergeordnet die weiteren beteiligten Personen durch die Delegation von Aufgaben an die Sachgebiete. Diese Sachgebiete erfüllen jeweils ein eigenes Aufgabengebiet und sind entsprechend mit einer kompetenten und entscheidungsfähigen Person als Leiterin oder Leiter dieses Gebietes zu besetzen.

Das Sachgebiet S1 übernimmt die Personalplanung und koordiniert die Alarmierung weiterer Einsatzkräfte, sowie deren Anfahrt zum Einsatzort.

Das Sachgebiet S2 ist für die Dokumentation der Lage zuständig. Dass bedeutet, dass alle eingehenden Informationen in den Stab gesichtet und dokumentiert werden. Zum einen ist hier ein Einsatztagebuch zu nennen, in dem schriftlich der Einsatzverlauf beschrieben ist. Zum anderen ist aber auch eine Darstellung der Lage, bspw. der Anzahl betroffener Personen und der verfügbaren Ressourcen festzuhalten.

Das Sachgebiet S3 beurteilt die Lage nach den vorhandenen Informationen und trifft die Entscheidung über den weiteren Einsatzverlauf.

Das Sachgebiet S4 ist für die Logistik des Einsatzes verantwortlich. Hierunter zählt sowohl die Alarmierung von Einsatzmitteln wie auch die Bereitstellung von Verbrauchsmaterialien, Hilfsmitteln und anderen Gütern.

Das Sachgebiet S5 befasst sich mit der Presse- und Medienarbeit und bereitet die Kommunikation mit der Öffentlichkeit vor und führt diese durch. Wenn Sie hören wollen, wie die Krisenkommunikation im Unternehmen funktioniert, dann hören Sie in unseren Podcast zu Krisenkommunikation rein.

Das Sachgebiet S6 ist für das Fernmeldewesen und entsprechend alle Tätigkeiten zur Herstellung der Kommunikation über Telefone, aber auch Fax oder Internet zuständig. Hierzu gehört die Bereitstellung geeigneter Technik (bspw.. Telefone, Computer, Drucker) sowie Problemlösungen, welche die Anwendung dieser beschränken.

Das Sachgebiet S7 PSNV (Psychosoziale Notfallversorgung) wurde erst nachträglich in den Stab integriert und ist daher in der FwDV 100 bisher nicht aufgeführt. Die PSNV befasst sich mit der Betreuung von Personen, welche psychisch durch einen Einsatz belastet wurden. Dabei werden sowohl Einsatzkräfte wie auch betroffene Personen oder Angehörige betreut, um die Geschehnisse zu verarbeiten.

Als Unterstützung zu den Sachgebieten werden in einen Stab Fachberaterinnen und Fachberater hinzugezogen, die ereignisspezifisch die fehlenden Kompetenzen zur Verfügung stellen, welche durch die Leiterinnen und Leiter der Sachgebiete nicht abgedeckt werden können. Dies sind bspw. chemische Experten, die bei Gefahrguteinsätzen hinzukommen.

Zudem können Verbindungspersonen vorhanden sein, die eine Brücke zwischen dem Krisenstab eines Unternehmens und dem Stab der Gefahrenabwehr darstellen. Bspw. entsendet die Feuerwehr bei einem Brand Verbindungspersonen, die den Stab des Unternehmens unterstützen und zeitgleich die für Brandbekämpfung wichtigen Informationen schnell gewinnen können.

Der Krisenstab im Unternehmen

Ein solches Stabssystem auf Unternehmen zu übertragen kann möglich sein, jedoch sind Anpassung notwendig und teilweise kann es bereits ausreichen, die Bewältigung mit kleineren Teams durchzuführen, welche nach Bedarf um Fachberaterinnen und Fachberater ergänzt werden. Grundsätzlich ist auch davon auszugehen, dass der Stab der FwDV 100 unnötig kompliziert und zu groß für Unternehmen ist, aber eine vergleichbare Grundstruktur mit definierten Aufgabenbereichen sollte angestrebt werden. Für die Größe eines Krisenstabs ist festzuhalten, dass ab mehr als zehn Personen die Arbeit ineffizient wird.
Damit ein Krisenstab in einem Unternehmen funktionieren kann, müssen Top-Entscheider in diesem Vorhandensein, welche die Entscheidungen treffen. Gute Stabsarbeit bedeutet in diesem Kontext, dass die Entscheidungen durch die Stabsmitglieder vorbereitet und hergeleitet werden. Allerdings können tägliche Hierarchien auch durchbrochen werden. So muss ein Entscheider für die Arbeit fachlich wie auch psychisch geeignet sein. Die Mitglieder des Stabes sollten daher folgende Eigenschaften und Kompetenzen mitbringen:

  • Charakterfest
  • Stressresistent
  • Erfahren im eigenen Fachbereich
  • Prokura für Entscheidungen besitzen

Die Leitung einer Abteilung kann daher auch feststellen, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter für diese Aufgabe im Stab besser geeignet ist als sie selbst und durch die Entsendung dieser in den Stab die täglichen Hierarchien brechen. Diese Erkenntnis zeugt von einer Stärke der Führungskraft zu erkennen, dass andere Personen diese Aufgabe besser erfüllen können.

Ein Stab sollte sich in seiner Arbeit nicht davon leiten lassen, dass einzelne Personen Kompetenzen ausstrahlen, die sie jedoch vielleicht nicht besitzen. Beim sogenannten Groupthinking wird auf die Meinung einzelner durch die Ausstrahlung der Kompetenz vertraut ohne Entscheidungen und Aussagen kritisch zu hinterfragen. Vor allem in Übungen sollte daher eine Person (reihum wechselnd) jede Entscheidung kritisch und aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten und Bedenken äußern.

Um das Thema Übung weiterhin aufzugreifen ist festzuhalten, dass ein Krisenstab mit jeder Übung mehr an Erfahrung gewinnt und die Zusammenarbeit zwischen den Personen verbessert wird. Auch die Einbindung neuer Personen in den Krisenstab, welche im Ereignisfall Stellvertreter darstellen, stellt den Stab zwar vor neue Herausforderungen, bietet gleichzeitig aber auch neue Erfahrungen. So können die Abläufe trainiert und die Stärken und Schwächen herausgearbeitet werden. Es ist sinnvoll, immer wieder neue Leute in den Stab einzubinden, denn Corona zeigt, dass ein Ereignis nicht immer kurzfristig verläuft und eine Ablöse der Stabsmitglieder notwendig werden kann. Fehlen ausgebildete Personen, muss sich nach einer solchen Ablöse der Stab komplett neu anlernen, was wertvolle Zeit kosten kann.

Ein Krisenstab sollte einen definierten Krisenstabsraum zur Verfügung haben, welcher nach dem Eintritt eines Ereignisses ausschließlich für den Krisenstab genutzt wird. Eine entsprechende Vorbereitung soll die Verfügbarkeit der Ausstattung (Beamer, Telefon, WLAN, LAN-Kabel,…) aber auch die Sicherstellung einer Grundversorgung mit bspw. Müsliriegeln und Getränken umfassen. So kann die Arbeit des Stabes zu jeder Tageszeit gewährleistet werden und wird nicht durch Einflüsse wie technische Probleme, sowie den Grundbedürfnissen zusätzlich belastet.

Die Ausbildung des Krisenstabs sollte damit beginnen, dass die Grundlagen der Stabsarbeit geschult werden, um anschließend in immer wiederkehrenden Übungen unterschiedliche Szenarien zu testen. Beginnend mit einem händischen Abarbeiten mit Zettel und Stift kann ab einem gewissen Erfahrungsstand auch auf eine Software übergegangen werden. Allerdings birgt diese Software ohne Erfahrung eine zusätzliche Einarbeitung zum Umgang mit dieser, was im Ereignisfall unnötig Zeit in Anspruch nimmt. Zudem gilt, wer ein Ereignis mit Zettel und Stift bewältigen kann, kann dies auch mit einer Software und ist zeitgleich für den Ausfall einer Software gewappnet.

Ein Unternehmen sollte einen Krisenstab beüben und in die Praxis stürzen. Mit einem Grundlehrgang zur Arbeit des Krisenstabs können erste Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt werden, welche dann nur durch Übungen gefestigt und erweitert werden. Das Ziel bei diesen Übungen sollte sein, dass die Pläne des Unternehmens zur Bewältigung unterschiedlicher Krisen getestet und daraufhin überprüft werden, ob diese im Realfall funktionieren können. Zusätzlich zu Übungen können auch Trainings durchgeführt werden, bei welchen eine Trainerin oder ein Trainer den Stab in der Übung begleiten und beobachten und dadurch eine Rückmeldung zur Arbeit des Stabes geben können.

Zusammenfassend sind somit Ausbildungen, Trainings und Übungen wichtig, um den Krisenstab auf Krisen vorzubereiten und als Leitgedanke für die Erstellung eines guten Krisenstabs gilt: Üben! Üben! Üben!

Möchten auch Sie den Krisenstab Ihres Unternehmens neu aufstellen oder in einer Übung testen, wie viel dieser bereits kann, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Schauen Sie sich hierzu gerne auch die Angebote unserer Academy an.

 

Literatur

Die Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 (FwDV 100)
Online verfügbar unter: FwDV 100