Business Continuity Management wird übersetzt in “Notfall- und Krisenmanagement“. Diesen deutschen Begriff finden wir auch im behördlichen Bereich, wie bei der Arbeit im Bevölkerungsschutz. Doch ist die Führung im Falle von Krisen auch wirklich gleich? Dieser kurze Artikel soll einzelne Unterschiede und Gemeinsamkeiten dieser beiden Notfall- und Krisenmanagement-Ansätze aufzeigen, damit eine Abgrenzung möglich ist und eine Unterscheidung vereinfacht wird.
Ursachen von Krisen
Die Ursachen von Krisen bzw. Katastrophen im Bereich des Bevölkerungsschutzes sind fast ausschließlich von außen zu sehen. Dies bedeutet, dass z.B. Naturkatastrophen, terroristische Anschläge oder ein technisches/menschliches Versagen vorliegt, was zu hohen Gefährdungen führt. Bei Unternehmen kommen noch zwei weiteren Ursachen hinzu: Mangelhafte Beachtung von Betriebsschwankungen bis hin zur Eskalation und Auftreten latenter Probleme, die zu hohen Reputationsschäden führen. Die Krise wird also nicht nur von außen herangetragen, sondern kann auch selbst verursacht worden sein.
Schutzziele bzw. Prioritäten
Im Bereich des behördlichen Krisenmanagements stehen vor allem der Schutz von Menschenleben bzw. die Beeinträchtigung der Gesundheit von Menschen im Vordergrund. Dies ist natürlich der Tatsache geschuldet, dass die behördliche Gefahrenabwehr immer dann zum Einsatz kommt, wenn Leben und Gesundheit tatsächlich gefährdet sind. In Unternehmen steht auch der Schutz der Arbeitnehmer im Vordergrund, falls diese durch ein Ereignis gefährdet sind. Jedoch zielt dieser Schutz nicht nur rein auf die Erhaltung von Gesundheit ab, sondern ist ein wesentlicher Bestandteil des Schutzes vor Reputations- und Finanzschäden. Denn wird beispielsweise nachgewiesen, dass Menschen durch z.B. mangelhafte Schutzvorrichtungen zu Schaden gekommen sind, so sinkt das Ansehen des Unternehmens und führt daraufhin zu Einbußen bei den finanziellen Einnahmen. Tritt eine Krise ein, so müssen die Bedürfnisse/Forderungen von Kunden beachtet werden und verlangen viel Aufmerksamkeit. Ein Unternehmen muss also verschiedenste Interessengruppen in die Betrachtung einfließen lassen, um weitreichende Schäden zu verhindern.
Generell sind die Reputation und der monetäre Aspekt bei Unternehmen immer zwei der wichtigsten Schutzziele. Das BCM hat als Ziel immer den Fortbestand des eigenen Unternehmens. Eine adäquate Behandlung von Krisen kann im Unternehmensbereich dazu führen, dass das Image nicht beschädigt und die finanziellen Auswirkungen minimiert werden. Im Bereich des Bevölkerungsschutzes spielt Geld hingegen eine untergeordnete Rolle. Ein Führungsstab kann oft aus dem Vollen schöpfen und muss nicht über Verdienstausfälle durch z.B. den Stillstand einer Produktionslinie nachdenken. Einen Schaden der Reputation kann es zwar auch hier geben (zumeist zu Lasten von politischen Akteuren), jedoch hat dies nur selten eine unmittelbare Auswirkung auf den Fortbestand. Die behördliche Gefahrenabwehr ist nicht für den Wiederanlauf von Geschäftstätigkeiten zuständig und beendet zumeist den Einsatz nach der Abwehr einer Gefahr bzw. der Begrenzung der Auswirkungen. Ein Unternehmen möchte jedoch so schnell wie möglich seine Geschäftstätigkeit wieder aufnehmen (auch z.B. als Notbetrieb), weshalb hier Strategien zu überlegen sind.
Befugnisse und Verantwortlichkeiten
Das Unternehmen ist nur für sein Unternehmen verantwortlich und hat auch nur dort Weisungsbefugnisse. Dies bedeutet, dass der Krisenstab nur den Mitarbeitern des Unternehmens Aufgaben oder Pflichten übertragen kann, nicht aber anderen Firmen, Dienstleistern oder gar Behörden. Bei Behörden gilt sogar das Gegenteil, nämlich dass das Unternehmen deren Weisungen folge leisten muss, falls es die Umstände erfordern. Für Ressourcen zur Bewältigung der Krise müssen aufwändig die Kosten eingeplant und kalkuliert und die Verfügbarkeit angefragt und überprüft werden. Ein Unternehmen ist also massiv von anderen Akteuren, wie Behörden oder externen Dienstleistern und deren Interessen abhängig. Die oberste Verantwortlichkeit hat die Unternehmensleitung inne. Dies gilt jedoch, wie schon erwähnt, nur für das eigenen Unternehmen, was bedeutet, dass z.B. andere Firmen nicht in den eigenen Fokus geraten müssen (Es sei denn, das Unternehmen erhält entsprechende Weisungen).
Im Bereich des behördlichen Krisenmanagements gilt insbesondere im Rahmen einer Katastrophe ein umfangreiches Weisungsrecht. Feuerwehren und Polizei können auch Privatleuten und Unternehmen Aufträge und Pflichten auferlegen, denen Folge zu leisten ist. Dies geht soweit, dass materielle Güter zur Gefahrenabwehr beschlagnahmt und Personen zur Mithilfe gezwungen werden können. Die oberste Verantwortlichkeit ist der jeweils politische Gesamtverantwortliche, was bei Katastrophen der jeweilige Landrat oder Oberbürgermeister ist. Die behördliche Gefahrenabwehr hat in einer Krise oder Katastrophe, bei denen sie tätig wird, nicht nur die Verantwortung für die eigenen Kräfte, sondern auch für die Unversehrtheit von Dritten, zu dessen Schutz sie beauftragt sind.
Arbeiten im Team/Stab bzw. Aufbau des Krisenmanagements
Egal ob im unternehmerischen Bereich oder im Bevölkerungsschutz, eine Krise oder Katastrophe benötigt eine besondere Aufbauorganisation, um das Ereignis optimal zu bewältigen. Diese Aufbauorganisation unterscheidet sich von der alltäglichen Linienorganisation, was auch bedeutet, dass Befugnisse temporär auf andere Stellen übergehen. Denn nur wenn Teams bzw. Personen, die mit dem Krisenmanagement betraut sind, mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet sind (und nicht ständig Nachfragen und Bitten müssen), kann eine Krise oder Katastrophe schnell und umfangreich bewältigt werden.
Das behördliche Krisenmanagement ist in die Bereiche „Operativ-taktische Komponente“ und „Administrativ-organisatorische Komponente“ unterteilt, denen der politische Gesamtverantwortliche übergeordnet ist.
Die Operativ-taktische Komponenten führt alle Einheiten der öffentlichen Gefahrenabwehr. Sie besteht neben dem Leiter des Stabes, dem Sichter und lageabhängigen Fachberatern und Verbindungspersonen aus den sogenannten S-Funktionen, die verschiedenste Aufgaben übernehmen:
S-Funktion | Aufgabe |
S1 | Personal/Innerer Dienst |
S2 | Lage und Dokumentation |
S3 | Einsatz |
S4 | Logistik |
S5 | Presse- und Medienarbeit |
S6 | Information und Kommunikation |
Die Einsatzleitung hat in einem Katastrophenfall originär der Landrat/Oberbürgermeister inne, kann also Einsätze aus seiner Position heraus führen. Jedoch ist den meisten politischen Amtsträgern klar, dass andere Personen für diese Aufgaben geeigneter sind, weshalb die Einsatzleitung oftmals an einen entsprechenden Einsatzleiter oder den Leiter des Stabes übergeben werden. Daher gibt der politisch Gesamtverantwortliche zumeist nur grobe Strategien (z.B. „Oberste Priorität ist der Schutz von Menschenleben“) vor. Dem Führungsstab sind dann weitere Abschnitte mit Einheiten untergeordnet, die geführt werden.
Die Administrativ-organisatorische Komponenten ist für alle Bereiche zuständig, die nicht zu Gefahrenabwehrbehörden gehören (Merkhilfe: Alles was kein Blaulicht auf dem Dach hat). Dieser Krisenstab ist nach dem Ressortprinzip aufgebaut und den Vorsitz übt hier tatsächlich der Oberbürgermeister/Landrat aus.
Funktionen des Krisenstabes |
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– Leiter – Innerer Dienst – Lage und Dokumentation |
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– Allgemeine Verwaltung – Finanzen – Ordnungsamt – Gesundheitsamt – Umwelt und Soziales – Verbindungspersonen Feuerwehr und Polizei |
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Im Bereich von Unternehmen gibt es zumeist keine solche Trennung, es sei denn es existiert ein Werkfeuerwehr. Das sogenannte Emergency Response Team ist oftmals ebenfalls nach dem Ressortprinzip aufgebaut. Wichtig ist dabei, dass der Geschäftsführer meistens die Einsatzleitung besetzt und immer die letzte Entscheidungsgewalt hat, solange dies nicht anderweitig geregelt ist. Er ist also Krisenmanager und Leiter des Stabes, solange keine anderen Regelungen existieren. Ein berufener Krisenmanager kann entweder die ständige Einsatzleitung übertragen bekommen (dann auch Leiter des Stabes) oder nur so lange federführend sein, bis die Geschäftsführung die Leitung übernimmt. Für den Aufbau eines Krisenstabes bzw. Emergency Response Teams gibt es keine einheitliche Lösung und muss daher immer gemäß den Anforderungen des Unternehmens gestaltet werden. Ein möglicher Aufbau könnte sein:
Funktionen des Krisenstabes/Emergency Response Team |
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Diesem Krisenstab unterstehen im Ereignisfall weitere kleinere Response Teams, die für bestimmte Aufgaben zuständig sind. Diese kleineren Teams, wie z.B. ein IT-Notfallteam, können ebenfalls in einer Stabstruktur aufgebaut und einzeln alarmiert werden. Denn ist keine Krise oder Katastrophe, sondern „nur“ ein Notfall zu managen, so können diese Teams zumeist eigenständig handeln, ohne eine vollständige Eskalationsstufe hochzufahren, was die allgemeine Effizienz erhöht.
Ein Krisenmanagement unterscheidet sich vom Notfallmanagement dahingehend, dass es für Krisen oder Katastrophen keine umfangreichen Vorplanungen existieren. Es können also keine Schemata rein abgearbeitet werden und der Erfolg von Maßnahmen ist auch nicht garantiert. Daher muss ein Stab gemeinsam Lösungswege erarbeiten und notwendige Maßnahmen umsetzen, weshalb die Vielzahl an Kompetenzen, die durch die Stabspositionen repräsentiert werden, notwendig sind. Dabei unterschiedet sich das grundsätzliche Vorgehen in der Stabsarbeit in den Bereichen Behörde und Unternehmen nicht! Eine weitverbreitete These ist, dass ein gut Ausgebildetes Team in der Lage ist, jedes Problem adäquat bewältigen zu könne, ungeachtet der fachlichen Vorbildung. Es kommt also rein auf die Methodik der Bewältigung an. So könnte theoretisch ein Krisenstab eines Unternehmens auch ein Hochwasser bearbeiten und würde bei entsprechender Ausbildung eine gute Figur machen. Wichtig ist, dass dabei bestimmte Grundsätze beachtet werden. Solche Grundsätze können sein:
- Führungskreislauf/PDCA-Zyklus anwenden
- Effektive Kommunikation
- Lage ausreichend erkunden (Informationen einholen, beurteilen, verstehen und teilen)
- Prioritäten festlegen
- Verstehen der eigenen Rolle und die des Stabes
- Adäquater Aufbau der Führungsstrukturen
- Antizipation des Verlaufes/Vordenken
- Dokumentation
- Aufgabenteilung
- Aufträge statt Befehle
- Maßnahmen auf Effizienz und Zeitbedarf überprüfen
- Parallele Handlungen und alternative Planungen
- Kontrollieren der getroffenen Maßnahmen
- Eindeutige und zeitnahe Entscheidungen treffen
- Regelmäßiges Üben
Wichtig ist dabei, dass das eingesetzte Personal über wichtige Kompetenzen zum Krisenmanagement (wozu selbstverständlich auch rein fachliche Kenntnisse gehören) verfügen und nicht aus hierarchischen Gründen ausgewählt werden. Personen im Krisenmanagement müssen in der Lage sein, Situationen und Handlungsoptionen schnell zu analysieren und zu bewerten, Entscheidungen zu treffen und Auswirkungen zu beachten. In einem Krisenfall ist eine Selbstprofilierung fehl am Platz, weshalb oftmals Personen mit „niedrigerem Rang“ und entsprechendem Fachwissen geeigneter sind als Entitäten aus dem Top Management. Entsprechendes Personal muss aber natürlich mit den benötigten Befugnissen ausgestattet sein bzw. ereignisspezifisch werden.
Es gibt noch viel mehr Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Bereich der Führung, wenn BCM und behördliches Krisenmanagement betrachtet wird. Doch dieser Beitrag soll als Beispiel dienen und für einen Überblick dienen. Es wird jedoch klar, dass Krisenmanagement immer eine besondere Herausforderung darstellt, für die es sich vorzubereiten gilt. Denn ist eine Krise erst eingetreten, kann ein funktionierendes Krisenmanagement nicht aus dem Hut gezaubert werden. Es Bedarf umfangreichen Planungen und Übungen. Nur so wird ein Unternehmen oder eine Behörde handlungsfähig und resilient gegenüber Notfällen, Krisen oder Katastrophen.